Schnäppchen bis zu kostenloser Ware. So ködert uns die Shopping-Seite Temu aus China, auch mit Werbung auf Instagram und TikTok. WISO zeigt, wie gefährlich die Produkte sind. 04.12.2023 | 8:31 min
Die Temu-App ist seit Wochen die Nummer 1 bei den Downloads in den App Stores. Für einen genaueren Blick hat WISO verschiedene Produkte bestellt und checkt: Wie gut und sicher ist die Ware?
Viele Artikel sehen aus wie Markenprodukte, kosten aber nur einen Bruchteil von ihnen, etwa weiße Funk-Kopfhörer, ein Bluetooth-Lautsprecher, ein Haartrockner mit markantem Design und noch mehr. Insgesamt kosten alle zehn Artikel zusammen 193,13 Euro, weniger als allein die Markenkopfhörer im Original.
Keimzelle ist Shanghai, dort wurde Temu 2022 als Tochter des chinesischen E-Commerce-Riesen PDD gegründet. Zuständig für Europa ist aber ein Unternehmen in Irland namens Whaleco. Temu sieht sich nicht als Shop, sondern als Marktplatz für Händler vorwiegend aus China. Zitat aus den Nutzungsbedingungen: "Wir haben keine Kontrolle über und garantieren keine Existenz, Qualität, Sicherheit, Eignung oder Rechtmäßigkeit der Produkte …".
Temu im Check: Wie hochwertig sind die Produkte?
Innerhalb von einer Woche ist alles angekommen. Auf den ersten Blick funktionieren die meisten Produkte, machen aber keinen hochwertigen Eindruck. Die wichtigere Frage: Gehen von den Waren angesichts hoher Wattzahlen und teilweise hoher Temperaturen auch Gefahren aus? Das testen die Ingenieure des VDE (Verband der Elektroindustrie, Elektrotechnik und Informationstechnik).
Hendrik Schäfer vom VDE sieht sofort: Das CE-Kennzeichen, mit dem die Hersteller belegen, dass sie sich an die Regeln in Europa für die jeweiligen Produkte halten, entspricht bei kaum einem Gerät der Norm. Ein Haartrockner hat gar keine Aufschrift auf dem Gehäuse.
Der Spaß hört wirklich auf, wenn sicherheitsrelevante Zeichen komplett fehlen. Das macht es dann im schlimmsten Fall eben gefährlich.
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Wasserkocher kann lebensgefährlichen Stromschlag verursachen
Gar lebensgefährlich ist nach Ansicht der VDE-Tester ein Wasserkocher. Am Netzstecker fehlt ein wichtiges Teil: "Wir haben hier ein metallisches Gehäuse und haben über die Überspannungsprüfung festgestellt, dass dies möglicherweise unter Spannung stehen kann", erklärt Hendrik Schäfer.
Normalerweise komme dann ein Schutzleiter am Stecker zum Tragen, aber der fehle: "Im Fehlerfall könnte dieses Gehäuse unter Spannung stehen, und als Nutzer greife ich da dran und bekomme einen lebensgefährlichen Stromschlag."
Bei einem Schaden haftet der Hersteller beziehungsweise der Verkäufer, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke: "Wenn ein Unglück passiert, müsste grundsätzlich erst einmal der Hersteller haften und zwar verschuldensunabhängig. An den eigentlichen Hersteller ist allerdings schwer heranzukommen, wenn der in China sitzt", erklärt er.
"Als Hersteller gilt nach dem Produkthaftungsgesetz aber auch, wer ein Produkt mit dem wirtschaftlichen Zweck seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Europäischen Wirtschaftsraum einführt." Wer das ist - angesichts der Rolle von Temu als Marktplatz, als Vermittler angeblich ohne Verantwortung -, ist zumindest unklar. Solmeckes Rat: An den Weiterverkauf solcher Ware sollte man besser gar nicht denken, da man dann selbst haftbar würde.
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Elektrogeräte von mangelhafter Qualität
Auch bei der Akustikmessung versagen die Produkte, sowohl die weißen Kopfhörer als auch die Bluetooth-Box. Hendrik Schäfer vom VDE ist ernüchtert: "Sei es die funktionale Qualität wie bei den Lautsprechern bis hin zu den Sicherheitsproblemen, die wir bei den kleinen Haushaltsgeräten gefunden haben, bis hin zur Lebensgefahr: Das ist insgesamt betrachtet schon ein erschreckendes Ergebnis."
Verbraucherschutz warnt vor Fehlkäufen
Was sagt Temu dazu? Schriftlich heißt es: "Wir haben nachgeforscht und Maßnahmen ergriffen, um den Haartrockner, den Wasserkocher und den Lautsprecher vom Verkauf auf der Plattform zu entfernen, da die CE-Dokumente fehlen." Bezüglich der Sicherheitsmängel erklärt Temu vage, man bestrafe Lieferanten für "Verstöße gegen die Plattformregeln und wenn sie gegen lokale Gesetze und Vorschriften verstoßen" bis hin "zu einem dauerhaften Ausschluss von unserer Plattform".
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"Gerade bei elektronischen Geräten muss man sich natürlich schon fragen: Wie kann das so günstig produziert werden?", findet Husemann. Obwohl manches Produkt nicht funktioniere, gebe es keine Beschwerden. Ein Grund: "Wenn man über den Marktplatz Temu etwas bestellt, dann ist es so, dass man bei jeder Bestellung eine kostenfreie Retoure hat."
Temu bietet die Rückgabe innerhalb von 90 Tagen an. Wir probieren das aus. Wieder gehen Pakete auf die Reise, diesmal zurück an Temu - nachhaltig ist das natürlich überhaupt nicht. Innerhalb von wenigen Tagen erstattet uns Temu die reklamierten Einkäufe. Aber angesichts der dürftigen Qualität und der Risiken ist ein Einkauf bei Temu keine gute Idee.
Sven-Hendrik Hahn ist Redakteur beim ZDF-Magazin WISO.
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